Sonntag, 2. Juni 2019

Was ist dir wichtig? - Was ist Gott wichtig?


Prediger 3,1-11 (Luther 2017)

"Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde:
Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit;
töten hat seine Zeit, heilen hat seine Zeit; abbrechen hat seine Zeit, bauen hat seine Zeit;
weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit; klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit;
Steine wegwerfen hat seine Zeit, Steine sammeln hat seine Zeit; herzen hat seine Zeit, aufhören zu herzen hat seine Zeit;
suchen hat seine Zeit, verlieren hat seine Zeit; behalten hat seine Zeit, wegwerfen hat seine Zeit;
zerreißen hat seine Zeit, zunähen hat seine Zeit; schweigen hat seine Zeit, reden hat seine Zeit;
lieben hat seine Zeit, hassen hat seine Zeit; Streit hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit.
Man mühe sich ab, wie man will, so hat man keinen Gewinn davon.
Ich sah die Arbeit, die Gott den Menschen gegeben hat, dass sie sich damit plagen.
Er hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende."


Der oben erwähnte Text wird oft auf Hochzeiten vorgetragen und er hat mich schon immer fasziniert. 
Es geht darum, dass alles, aber auch wirklich alles im Leben, seine Zeit hat.

Hier werden die essenziellen Punkte des Lebens erwähnt, wie Geborenwerden und Sterben. Doch erwähnt der Autor dieses Textes auch das Genießen des Lebens, darüber hinaus die Trauer; das Bauen und Einreißen, das Weinen und das Lachen, das Zerreißen und das Zunähen.
Alles, was uns im Leben widerfahren kann, wird hier in diesem Text erwähnt.

Eines fällt mir an diesem Text auf: Mit keinem Wort wird "Angst" erwähnt. Obwohl so viele Menschen Angst haben und sich Sorgen machen, werden mit keinem Wort die Begriffe Angst und Sorge erwähnt. Der Begriff "Streit" wird hingegen schon verwendet. Selbst der Begriff "Töten" taucht auf. 

Das wirft die Frage auf: Warum wird der Begriff "Angst" in diesem Text der Bibel nicht verwendet?
Ich glaube deshalb, weil Angst der Glaube des Teufels ist und mit Gott rein gar nichts zu tun hat.

Auch wenn die Begriffe "Streit" und "Töten" wiedergöttlich sind, Gott also widersprechen, werden sie hier erwähnt. Nicht so der Begriff "Angst". Angst lähmt und der Teufel versucht, unseren Alltag zu lähmen mit der Angst und der Sorge um Dinge und Menschen.

Angst verzerrt die Realität. Vielleicht glaubst du, es geht in deinem Leben nicht weiter. Vielleicht kommst du über eine schlimme Krankheit nicht hinweg, vielleicht hast du ein Kind oder einen geliebten Menschen verloren und du kannst den Schmerz nicht abschütteln, vielleicht geht dir deine Arbeit auf die Nerven oder deine Familie und du glaubst, du kommst im Leben einfach nicht weiter.

Vielleicht glaubst du auch, dass du Gott egal bist. Dass du schon zu lange wartest, aber es passiert nichts und er hört dich gar nicht.

Das alles sind Lügen des Teufels, der versucht, einen Keil zwischen dich und Gott zu schieben. Etwas, das dich von Gottes Liebe und von seiner grenzenlosen Annahme trennen soll, damit du dich schwach fühlst und angreifbar für die Attacken des Teufels wirst.

Bekämpfe den Satan mit dem Wort Gottes, dem Schwert des Geistes.
Es ist mächtig gegen die Bollwerke und Mauern des Teufels. Es reißt sie ein.

Interessant finde ich auch, dass im Text, gleich zu Beginn, "pflanzen und ausreißen" und "töten" im Kontrast zu "heilen" erwähnt wird.

Wann pflanzt man etwas, das später wieder ausgerissen wird; warum tötet man, um dann wieder zu heilen?

Vielleicht ist das Gottes Art. Das Schmutzige, das unser Leben verletzt und schädlich für uns ist, auszureißen und Frieden, Freude und Liebe neu in unser Herz zu säen.

Vielleicht ist es Gottes Art zu töten, was uns zu schaffen macht, wie beispielsweise die Lügen des Teufels, und unsere Seele zu heilen von all den Verletzungen, vom Verrat durch Vergebung und vieles mehr. Auch wenn das für uns manchmal nur schwer oder unmöglich ist, bei Gott ist es möglich.
Er tut es.

Ich habe schon oft den folgenden Spruch gehört: "Gott saniert nicht, er baut neu." Manchmal reicht der Dreck in unserem Leben so tief, dass, wie bei einer Krebsoperation, alles entfernt werden muss, damit neue, gute Zellen wachsen können.
Die Wunde muss gesäubert werden, damit neues Leben überhaupt möglich ist.

Weiterhin finde ich aufschlussreich, dass im Text das Wort "abbrechen" verwendet wird. "Abbrechen und bauen hat seine Zeit". Vielleicht muss man manchmal ungesunde Freundschaften und Kontakte loslassen, sie quasi abbrechen, um sich selbst zu schützen.
Vielleicht auch ungesunde Gedanken oder Gefühle.
Manchmal muss man vielleicht auch aufhören, nach Lösungen zu suchen, die nur Gott einem sagen kann.

Was es auch sein mag, "abbrechen" hat ebenso seine Zeit wie "aufbauen".

Und dann die Eigenschaften, die jeder von uns kennt: "weinen und lachen", "klagen und tanzen".
Das hat auch seine Zeit. 
Wenn ich eine lange Phase der Trauer oder des Zweifelns hinter mir habe, wenn ich viel geklagt und geweint habe, dann ist vielleicht eine Zeit des Lachens und des Tanzens dran, die mir bevorsteht.
Wir müssen von Zeit zu Zeit lachen und tanzen, sonst ist das Leben nur schwer zu ertragen.

"Suchen, verlieren und behalten hat seine Zeit": Ich habe schon oft Dinge gesucht, die ich verlegt hatte. Oder wir suchen nach Lösungen für unsere Alltagsprobleme. Nach Auswegen aus dem Chaos.

Nicht nur "suchen", sondern auch das Thema "Verlust" wird angesprochen: "Verlieren" hat seine Zeit. "Behalten" hat seine Zeit. Wenn man oft umgezogen ist, muss man sich ständig neue Freunde suchen. Das kostet Zeit und Kraft. Der Verlust, wie auch immer geartet, ist schwer. Menschen zu verlieren oder den Kontakt zu ihnen zu verlieren, ist nicht leicht.

Wir wollen meist "behalten", wir wollen, dass sich nichts im Leben ändert. Alles soll doch so bleiben, wie es ist.

Und trotzdem verlieren wir Menschen und Dinge und finden neue. 

"Zerreißen und zunähen hat seine Zeit": Das erinnert mich an eine Operation. Der Bauchraum oder Brustkorb wird aufgeschnitten und nach getaner Arbeit wieder zugenäht.
Das bedeutet Veränderung. Es bedeutet auch, Narben zu hinterlassen, die Menschen oder Situationen verursacht haben.

"Schweigen und Reden hat seine Zeit": Man muss nicht immer reden, zuhören hilft dem anderen in mancher Situation mehr. Und manchmal ist es auch dran, endlich einmal zu reden, seine Sicht der Dinge mitzuteilen.

"Lieben und hassen hat seine Zeit": Hochspannend, lieben, ja klar! Aber hassen? Das hat offensichtlich auch seine Zeit. Wenn man von jemandem verraten oder gedemütigt wurde, kann man das nicht gleich vergeben. Man ist erst einmal zornig und hasst vielleicht auch. Das ist eine normale menschliche Reaktion auf einen Verlust oder eine Verletzung.

Selbst "Streit und Frieden haben ihre Zeit": Es wird sich wohl leider nicht vermeiden lassen, dass man im Leben mal streitet oder sich uneinig ist. Darüber zu reden, sich zu entschuldigen, kann wieder Frieden schaffen.
So könnte mancher Krieg vermieden werden.

Der Autor des Bibeltextes fast am Ende zusammen: "Man mühe sich ab, wie man will, so hat man keinen Gewinn davon." Ein trauriges Fazit.

Man könnte sich fragen: Warum dann das alles? Warum mühen wir uns ab. Warum waschen wir das Geschirr, wenn es ja doch wieder dreckig wird? Warum gehen wir zum Arzt, wenn wir ja doch wieder krank werden? 
Warum absolvieren wir eine Ausbildung oder ein Studium, um dann doch einen Job anzunehmen, der nicht dazu passt? Wozu das alles? Wo bleibt der Gewinn?

Vielleicht ist Gott der Gewinn gar nicht so wichtig. Der Gewinn, den wir uns vorstellen, zumindest. Vielleicht versteht Gott unter Gewinn, dass wir lernen, geduldig zu sein und ihm zu vertrauen. Während wir vielleicht auf eine Beförderung hoffen.

Und jetzt kommt der härteste Satz des ganzen Textes: 


"Ich sah die Arbeit, die Gott den Menschen gegeben hat, dass sie sich damit plagen.
Er hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende."

Bitte was? Der Mensch soll sich mit seiner Arbeit plagen?! Warum? Was ist der Sinn dahinter?
Ich glaube, der Sinn ist nicht offensichtlich. Im ersten Moment erscheint dieser Satz hart. Aber ich glaube, dass Gott viel weiter sieht als wir. Das wird im Text mit den Worten erwähnt "er hat die Ewigkeit in ihr Herz gelegt". Gott sieht nicht nur dieses Leben hier auf der Erde. Er sieht weit darüber hinaus. Unser Leben als Christen endet nicht hier. Nur kurzzeitig durch den Tod. Aber danach geht es weiter, im Himmel, bei und mit Gott!

Wir lernen die Eigenschaften hier auf der Erde, mit denen wir im Himmel weiterleben. Eigenschaften, wie Geduld, Vertrauen, Liebe, Sanftmut, Frieden.

Das Leben auf der Erde erscheint manchmal sinnlos, ja. Warum? Die Antwort steht im letzten Satz des Textes. Weil "der Mensch das Werk, das Gott tut, nicht ergründen kann, weder Anfang noch Ende".

Wow. Das muss erst einmal verdaut werden. 

Hier kommt unser Vertrauen ins Spiel. Wir werden nie wissen, warum Gott wie handelt, welchen Zeitplan und welchen Plan er überhaupt für unser Leben hat. Vielleicht sehen wir manche Dinge im Nachhinein, aber das ganze Blueprint oder Muster werden wir wohl erst im Himmel erkennen.

Deshalb: Vertrauen ist nicht Wissen.